Solitonen und Wirbelringe sind Beispiele für nichtlineare Wellenerscheinungen, die ihre Form während der Ausbreitung beibehalten. Erstmals wurden in einem Experiment Kollisionen solcher Wellen in einem Bose-Einstein-Kondensat (BEC) gezielt herbeigeführt und beobachtet [1]. Dabei fand man unerwartete schalenartige Strukturen. Computersimulationen zeigen, dass es sich um hybride Objekte aus Solitonen und Wirbelringen handelt.
Folgt die Ausbreitung von Wellen in einem Medium nichtlinearen Gesetzmäßigkeiten, dann kann der Effekt der Dispersion, der das Auseinanderlaufen eines Wellenpakets bewirkt, von nichtlinearen Effekten kompensiert werden. Dadurch bleibt die Form einer Welle erhalten. Solche formstabilen Wellen nennt man Solitonen. Sie treten in verschiedenen Gebieten der Physik auf und haben beispielsweise Bedeutung als optische Solitonen bei der transatlantischen Kommunikation über Glasfasern oder als Ozeanwellen in Form der gefürchteten Tsunamis.
In
BECs aus stark verdünnten und superkalten atomaren Gasen wurden
Solitonen zunächst theoretisch vorhergesagt und in verschiedenen
Experimenten
beobachtet. Neben solchen formstabilen Wellenfronten sind auch
quantisierte
Wirbelströmungen (Vortizes) charakteristische Phänomene von BECs. Ihre
experimentelle Erzeugung und Beobachtung gilt als eindrucksvoller
Beweis der
suprafluiden Eigenschaften von BECs. Die Vortizes ähneln Strudeln am
Ausfluss
einer sich entleerenden Badewanne, mit dem Unterschied, dass ein
quantisierter
Vortex nicht durch Reibungskräfte gebremst wird und daher im Inneren
eines
Suprafluids nicht zerfallen kann. Die Rotation ist gequantelt und die
Materiedichte verschwindet im Zentrum. Das nennt man auch Vortexkern.
Wird nun ein BEC in einer näherungsweise zylindrischen Falle gehalten, dann können auch Vortizes als formstabile Wellen propagieren. Dabei unterscheidet man zwischen solitonischen Vortizes, deren Kern das zylindrische Kondensat senkrecht durchsticht, und Vortexringen, deren Kern sich zu einem Kreis schließt und die an die Wirbelringe geschickter Raucher erinnern. Während Vortexringe in BECs schon als Zerfallsprodukt von solitonischen Wellenfronten beobachtet worden sind, steht die direkte experimentelle Beobachtung von solitonischen Vortizes noch aus.
Eine
spannende Frage ist nun das Schicksal formstabiler Wellen bei
Kollisionen. Aus Untersuchungen an einem idealisierten eindimensionalen
Modell
erwartet man, dass die Wellen sich durchdringen und ohne Schaden zu
nehmen und
ohne Impuls oder Energie zu verlieren weiterlaufen. Dieses Verhalten
brachte
den formstabilen Wellen den Namen „Solitonen“ ein, da sie sich wie
klassische
Teilchen verhalten. An der Harvard Universität wurde nun erstmals
experimentell
formstabile Wellen in einem BEC zur Kollision gebracht und beobachtet.
Abb. 1: Links Schnittbilder der experimentellen Daten für die
Atomdichte
(dunkel = hohe Dichte) in verschiedenen Stadien der Solitonenkollision.
Rechts
eine Computersimulation des Experiments.
Zur Erzeugung der nichtlinearen Wellen wurden in einem wenige Millimeter langen BEC aus Natriumatomen zwei mikrometergroße Löcher mittels einer komplizierten Anordnung von Lasern eingebrannt. Beim Zurückschwappen des suprafluiden Kondensats bildeten sich Soliton-artige Wellenfronten. Diese zerfielen teilweise in Vortexringe, bewegten sich von zwei Zentren ausgehend aufeinander zu und kollidierten.
Im Gegensatz zum teilchenartigen Verhalten echter Solitonen beobachtete man bei der Kollision charakteristische und zunächst unerwartete Schalenstrukturen (Abbildung 1). Erst die Computersimulation eines theoretischen Modells auf Basis der nichtlinearen Schrödinger-Gleichung (Gross-Pitaevskii-Gleichung) zeigt, dass diese Schalen aus Fragmenten solitonartiger Wellenfronten und Vortexringen besteht (Abbildung 2). Die Vortexringe spielen hier eine wichtige Rolle bei der Bildung dieser Strukturen, weil sie die Solitonfronten wie einen Regenschirm umstülpen, ohne offensichtlich sichtbar zu sein. Die Vortexringe spielen daher die Rolle von geisterhaften Motoren bei der Dynamik der Solitonfronten.
Diese Experimente geben detaillierte Einblicke in die Dynamik von nichtlinearen Wellen und könnten zum Verständnis der bisher nicht verstandenen Turbulenz in Supraflüssigkeiten wie suprafluidem Helium beitragen, wo vergleichbare Untersuchungen bislang unmöglich sind. Neue theoretische Untersuchungen weisen auch darauf hin, dass die Bildung sphärischer Schalen bei der Kollision solitärer Wellen möglicherweise ein universelles Phänomen ist, das auch in anderen physikalischen Systemen von Bedeutung sein könnte.
[1] N.S. Ginsberg, J. Brand, L.V. Hau, Phys. Rev. Lett. 2005, 94, 040403
Joachim Brand, MPIPKS
Dresden